Hunderte wollen nackt abheben: Riesenansturm auf FKK-Flieger
Erfurt (dpa) - Glaubt man Enrico Heß, hätte er im Traum nicht an einen solchen Ansturm gedacht: "Die Leute rennen mir die Bude ein. Minütlich rufen Kunden an, die Tickets für unseren ersten FKK- Flieger auf die Insel Usedom kaufen wollen."
Erst vor zwei Wochen gründete der 34-Jährige in Erfurt das Reisebüro "OssiUrlaub.de". Der gewiefte Reisekaufmann, der die Branche schon mit anderen Ideen wie "weg.de" oder "billigfliegen.de" durcheinanderwirbelte, gibt sich im Gespräch unschuldig. "FKK-Flüge sind kein Schwerpunkt unseres Reiseprogrammes." Vielmehr würden Ostdeutschen online beliebte Ferienziele wie Bulgarien, Ungarn, Türkei oder Kuba angeboten und das ausschließlich von ostdeutschen Flughäfen aus. "Ein Reiseportal von Ossis für Ossis", erklärt Heß seine Marktidee. Der erste Nacktflug ist für den 5. Juli geplant.
Noch nicht einmal der Einfall für hüllenloses Fliegen kam von ihm, geschweige denn, dass er selbst mitmachen würde. "Ein Kunde sprach mich auf das Nacktfliegen an. Ich bin kein FKK-Anhänger und habe keine Ahnung, was den Leuten daran gefällt, ihren Urlaub unbekleidet zu verbringen." Deshalb kann der Mann aus Gotha auch nicht darüber mutmaßen, welches grenzenlose Freiheitsgefühl den Passagier im Zustand wie Gott ihn schuf über den Wolken beflügeln könnte.
Vergleichbar unverständlich ist für Heß der bei Nudisten ebenfalls immer beliebter werdende Trend, sich in FKK-Hotels einzumieten und dort nackt in Restaurants zu speisen und in Boutiquen zu bummeln. "Das war vor Jahren eine Marktlücke, so wie jetzt unsere Nacktflüge eine Marktlücke sind", bekennt Heß. Er räumt ein, dass ihm der geplante Nackedei-Jungfernflug schon jetzt Kopfschmerzen bereitet, nicht nur, weil er - wegen des "Medienrummels, Anrufen aus Neuseeland, Japan und was weiß ich noch woher" - kaum zum Organisieren kommt, sondern vor allem, weil der kleine Flieger mit 50 Plätzen mehr als fünf Monate vor dem Ereignis quasi schon völlig ausgebucht ist.
"Wir könnten jetzt schon mehrere große Flugzeuge mit Fans der Freikörperkultur füllen." Deshalb überlegt Heß, bei der Ostfriesischen Luftfahrt- und Transportgesellschaft (OLT), die den ersten Nacktflug chartern will, abzuspringen und bei einer größeren Fluggesellschaft anzuheuern.
Lediglich die Rahmenbedingungen stehen jetzt schon fest: Das Flugpersonal bleibt aus Sicherheitsgründen bekleidet und wegen der Hygiene werden die Sitzplätze mit Wechselauflagen ausgestattet. Außerdem dürfen die Fluggäste erst im Flieger die Hüllen fallen lassen und müssen sich kurz vor der Landung wieder anziehen. Dass der luftige Tagesausflug dennoch 499 Euro kosten soll, begründet Heß mit dem geringen Platzangebot.
Angesichts der großen Nachfrage, die sich laut Heß jetzt schon abzeichnet, sei es vorstellbar, nackt bald andere Ziele anzusteuern, Mallorca oder Ibiza zum Beispiel. "Dann könnten sich schließlich auch die Flughäfen auf die Marktlücke einstellen, abgetrennte Eincheck-Bereiche einrichten und die Nackten hinter einem Vorhang kontrollieren, um bekleidete Passagiere nicht zu stören." Eines Tages käme dann vielleicht noch der Abhol- und Zubringerdienst für FKK-Fans nach dem Motto: Nackt und ohne Gepäck von Haustür zu Haustür. Heß ist hundertprozentig von seinem Konzept überzeugt: "Natürlich gab es auch viele Anrufer, die glauben, das Ganze sei ein Gag. Aber nein, wir wollen nichts Anrüchiges machen, aber wir meinen es ernst."